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Die Frage nach der Evolution enthält eine ganze Menge Weltanschauung und ist quasi fast wie Religion, selbst dann, wenn man sich bemüht diese Fragen auseinander zu halten. Wissenschaft zunächst ist nichts anderes als Maß und Zahl. Die Deutung, welche Erklärung man den Fakten gibt, das ist eine mit sehr viel Sinn beladene Antwort, und es sieht fast so aus, als ob man die Bereiche von Religion und Dasein gar nicht trennen kann.

Viele ernsthafte Wissenschaftler sind gläubige Menschen. Nun hat man versucht, Fragen der Naturwissenschaft von den philosophischen und theologischen zu scheiden. Aristoteles ist der Vorreiter gewesen, der dazu beigetragen hat, daß sich die modernen Wissenschaften entwickelten Vorher war die schulische Bildung noch nicht in verschiedenen Fächern unterteilt gewesen, sondern die gymnasiale Bildung im Unterricht war Kunst zur Lebensführung, d.h. Ethik.

Obwohl Fragen des Glaubens also etwas ganz anderes ist, als Naturwissenschaftliche Fragen, dennoch ist das so, dass es viele Berührungspunkte gibt, vor allem dann genau, wenn vermeintliche Wissenschaftliche Antworten latent religiöse Subprämisen enthalten, bei denen man sich gar nicht bewusst ist, wieviel davon da ist.

Unterscheiden, nicht trennen!

Wir müssten sagen, wenn man die Bereiche von Naturwissenschaft und Religion nicht trennen kann, man kann sie auf jeden Fall "unterscheiden". Das ist Teil unseres menschlichen Abstraktionsvermögen. Leider ist aus Wunsch einer "Unterscheidung" ist die Tendenz zu einer "Trennung" der Bereiche geworden. Das Wissen - dank der Abstraktion - nimmt zu, und die Wahrheit nimmt ab. Einige Ethiker pochen nach wie vor auf den naturalistischen Fehlschluss, von Sein aufs Sollen zu schließen, müsse vermieden werden.

Ich mache es kurz: Ich bin ein Befürworter der Evolutionstheorie und auch gläubig. Diese bedeutet für mich eine Deutung dessen, wie eine Entwicklung der Arten "geschichtlich" stattgefunden haben müsste. Und da gibt es sicher einige Wissenschaftler, die sich Gedanken über Arten und Spezienssprünge machen. Nicht destotrotz geht das an manchen entscheidenden Fragen vorbei.

Abstammung

Zu sagen, der Mensch stamme vom Affen ab, so Peter Bamm, bedeutet soviel wie die Behauptung, irgendeinmal in der Geschichte muss ein Mensch einen Affen zum Vater gehabt haben. Und selbst wenn sich man den Sprung allmählich vorstellt, so muss also ein Mensch einen wesenhaften "Halb-Affe" als Vater gehabt haben. Die Beantwortung der Geschichtsfrage interessiert mich persönlich nicht. Damit ist zunächst einmal gesagt, dass es unmöglich ist, naturwissenschaftliche Fragen nachzugehen, ohne die religiösen und weltanschaulichen zu berühren. Der Affe ist kein Würdewesen, der Mensch aber schon. Bereits hier deuten sich Unterschiede im Denken an, wenn also jemand beim Thema der Würde sich an Erkenntnisidealen, die sich an der Naturwissenschaft anlehnen, orientiert und damit die Würde verflacht. Die Würde ist eine Unendlichkeit, die in Endlichkeit eingehüllt und zuinnerst verwoben ist. Mit anderen Worten, egal welche Position man vertritt, ob dieser Zustand einmal geschichtliche Tatsache war oder nicht, ob man einen theistischen, atheistischen oder agnostischen Weltbild vertritt, so ist jede Position für sich eine religiöse wenn nur anders gepolte Antwort.

Klar, hier nur Abstammungslinien zu verfolgen, das ist viel zu banal, als ob dies all unsere Fragen beantworten könnte. Man fragt gerne als Philosoph, wo denn die hinreichenden Ursachen für etwas liegen, verwechselt aber immer wieder die Bedingung der Möglichkeit mit dem Grund von Dingen. Meine Eltern haben mich z.B. "gezeugt", d.h. sie haben nichts weiter gemacht, als miteinander Sex zu haben, aber meine Freiheit, mein Selbstverhältnis habe ich nicht von Ihnen.

Diese Ebenen des Redens in der Naturwissenschaft zu vermischen, führte bei dieser Frage Peter Bamm in seinem Buch "Adam und der Affe" dazu, eine allgemeine Skepsis gegenüber den Naturwissenschaften zu haben.Die verschiedensten Seinsebenen werden entweder verflacht, oder man spricht über Dinge in einer so selbstverständlichen Art und Weise, dass so manches euphorisch überstrapaziert formuliert wird. Ich stamme von meinen Eltern ab, aber mein Selbstverhältnis habe ich nicht von ihnen. Sie haben mich gezeugt, aber sie wussten dabei nicht, wer denn da unterwegs ist. Trotzdem gehört die Naturwissenschaft zur Bildung einer allgemeinen gesunden Vernunft bei. Sie hilft mir zwischen Weltbild und Hokus Pokus zu unterscheiden.

Mein Freiheitsverhältnis

An dieser Stelle schreib ein Karl Jaspers, dass wenn man ehrlich ist, müsste er erkennen, dass er (in seiner endlichen Freiheit) sich nicht selbst erschaffen hat. Man müsse sagen, dass "Erzeugtes" oder "Erschaffenes", einen Dinglichen Charakter haben. Freiheit, wenn sie erschaffen wäre, müsste demnach determiniert sein. Da dies nicht der Fall ist, sei also der Ursprung der Freiheit unbekannt. Bei seiner Antwort sieht man, dass er einen ziemlich erbärmlichen Gottesbild hat, und außerdem kommt seine Antwort einer Antwortsverweigerung gleich. Seinsmäßig ist Freiheit - mitten in der Welt verwoben - nicht nichts, von daher bedarf die Freiheit mindestens eines gleichen Grundes, um sein zu können. Und auch durch Teilung wie bei den Regenwürmern wird die Freiheit in ihrer Individualität nicht entstehen können; jeder Mensch ist einmalig einzigartig.

Historische Evolution ist Tatsache, aber noch nicht alles

Evolutionstheoretisch sehen wir also, dass es eine Entwicklung von unten nach oben gab, von den Einzellern bis zu den Menschen. Seinsmäßig, d.h. ontologisch, aber kann es nur umgekehrt sein, dass eine Entwicklung von oben nach unten stattgefunden hat; also vom Höheren zum Niederen.

Hier muß man hinzufügen, dass obwohl also man stets bemüht ist, Fragen der Wissenschaft von den philosophischen Fragen zu unterscheiden, gibt es immer Berührungspunkte. Jede Weltdeutung ist ein geistiger Akt, bei dem die Welt nicht bloß "untersucht" wird, sondern vielmehr "gedeutet" wird. Darum ist also jede Weltdeutung ursprünglich eine wie auch immer gepolte quasi religiöse Antwort. Philosophische Überzeugungen sind immer eine Form von "Glaube". Nicht jeder Mensch glaubt an Gott, aber jeder Mensch hat einen "glauben". Wer keinen Gott hat, hat wenigstens einen Ersatz dafür, sei es nur das Fragezeichen. Wir können nicht anders als "glauben".

(Vgl. Peter Bamm: Adam und der Affe)